Als Student hat man es manchmal nicht leicht, alles unter einen Hut zu bringen. In erster Linie will natürlich studiert werden: Vorlesungen und Seminare, Klausuren und Hausarbeiten in der vorlesungsfreien Zeit. Mal ist man völlig ausgelastet und kommt sonst zu nichts, mal verbringt man ein ganz ruhiges Semester, weniger Vorlesungen, wenig Klausuren, wenig Sonstiges.
Mein Sommersemester neigt sich langsam dem Ende zu. Es bleibt eine Woche, danach beginnt die vorlesungsfreie Zeit. Dann muss ich noch einmal richtig reinklotzen, mit drei Hausarbeiten, die es zu schreiben gilt. Drei Hausarbeiten sind, zugegeben, recht viel. Aber die "Semesterferien" sind glücklicherweise auch recht lang. Da gilt es aufzupassen, dass man sich nicht verschätzt und am Ende keine Zeit mehr für die Arbeiten hat.
Jedes Mal nehme ich mir vor, die Hausarbeiten gleich zu Anfang zu erledigen. Dennoch überwiegt immer wieder die Lust auf Urlaub, Entspannung und das heimische Sofa. Dieses Semester soll sich das ändern. Bei drei Hausarbeiten ist mir das Risiko einfach zu groß. Und die Anzahl meiner Hausarbeiten pro Semester beträgt nie weniger als 2. Eine Hausarbeit oder sogar mehrere aufzuschieben könnte schnell in die Hose gehen. Ich schwöre mir selbst hiermit also hoch und heilig, dass ich im Juli wenigstens eine Hausarbeit fertig bekommen werde! Da kann ich mir nur selbst viel Glück wünschen. Der innere Schweinehund wächst und will raus.
Und dann wäre da noch der Nebenjob. Der ist, dank Bafoeg, nicht allzu zeitaufwendig und sehr flexibel. Und das beste: er ist gleich um die Ecke! viele Kommilitonen haben Nebenjobs am anderen Ende der Stadt oder gar in einer anderen, haben Arbeitszeiten, die sich bis spät in den Abend ziehen und sind auch noch richtig im Stress. Die einen Telefonieren, um sich das Leben mit zu finanzieren, die anderen stehen stundenlang im Geschäft an der Kasse, räumen Regale in Kaufhäusern ein oder müssen den Saustall, den Kinobesucher so hinterlassen, wegschaffen. Einige Kommilitonen aber haben sich einen Job gesucht und gefunden, der nicht (nur) der Sicherung des Lebensunterhaltes, sondern auch der Vorbereitung auf das zukünftige Tätigkeitsfeld dienen soll. Ob als wissenschaftliche Mitarbeiter oder Teilzeitkräfte in einem Unternehmen - auch dort wird einem viel abverlangt, es wird häufig stressig, man steht unter Zeitdruck und die Bezahlung steht oftmals am Ende in keiner Relation zur geleisteten Arbeit.
Als Nachhilfelehrerin habe ich zwar keinen Zeitdruck und auch den Stress, Arbeiten pünktlich abzugeben, muss ich nicht ertragen (worüber ich sehr froh bin). Allerdings muss ich Tag für Tag alles geben, um am Ende gute Ergebnisse zu erzielen. Denn auch Nachhilfe ist gewissermaßen ein Wirtschaftsberuf: ohne Leistung keine Kunden. Wenn ich meinen Schülern nichts beibringe, dann kommt irgendwann einfach niemand mehr zu mir. Viel wichtiger ist mir aber die moralische Seite: wenn ich merke, dass ein Schüler sich nicht bemüht oder dass meine Lehrmethoden einfach nicht dem entsprechen, was der Schüler braucht, macht mich das schon ein wenig deprimiert. Ich möchte sehen, wie meinen Schülern die Lichter aufgehen, wie sie Spaß am Lernen entwickeln, weil sie endlich etwas verstanden haben und wie ihre Augen strahlen, wenn sie zum ersten Mal seit langem eine richtig gute Note geschrieben haben - eine bessere als sie, ihre Eltern und vielleicht auch ich erwartet haben. Diese Momente sind wirklich wertvoll und machen mir klar, wie wichtig mein doch so belanglos wirkender Nebenjob als Nachhilfelehrerin für viele oft schon resignierte Schüler und verzweifelte Eltern doch ist. Der Druck, meine Aufgabe gewissenhaft zu erfüllen, so klein sie auch scheinen mag, wiegt schwerer, als ich anfangs erwartet habe. Die Autorität zu bewahren und gleichzeitig ein guter Freund und vertrauenswürdigen Ansprechpartner zu sein, entpuppt sich immer wieder als ein schwierigeres Unterfangen, als ich dachte.
Und dann ist da natürlich die dritte Komponente: das Wohnen. Ob bei den Eltern, in einer WG, alleine oder mit Partner - als Student schwimmt man meist eher nicht im Luxus. Jede Regel hat ihre Ausnahme (und auch jede Ausnahme ihre Regel), dennoch haben sich in den letzen Jahren in meinem Studentenalltag einige "Stereotypen" heraus kristallisiert.
Die mit dem glücklichen Los: ihre Eltern haben ein Haus oder eine Wohnung in der Nähe der Uni, wohnen selbst vielleicht sogar wo anders, der Weg zur Uni ist kurz, die mütterliche Küche (oder die von Muttern finanzierte Restaurantküche) schmeckt und mit etwas Glück lebt man sogar mitten in einer Großstadt, wo auch der allabendliche Spaß in einigen Schritten zu erreichen ist. Manchmal, das gebe ich zu, beneide ich diese Menschen. Ich bin jeden Morgen eine halbe bis Dreiviertelstunde mit der Bahn unterwegs, den Weg zur Bahn und von dort zur Uni nicht einberechnet. Dabei wohne ich sogar an eine Linie, die direkt am Unigelände entlang fährt. Auf Muttis Kochkünste bin ich weniger neidisch: zum einen mag ich kaum Fleisch, was bei meinen Eltern eher schwer durchzusetzen ist. Zum anderen habe ich an Essen recht hohe Ansprüche, nicht unbedingt was Qualität angeht, sondern die Auswahl. Zwar mag ich sehr vieles, esse aber bei Weitem nicht alles, was auf den Tisch kommt. Mal habe ich Lust auf dies, mal auf das. Da passiert es schon mal, dass unter all den Köstlichkeiten nichts dabei ist, was mir gerade zusagt. Da entscheide ich lieber jeden (zweiten) Tag selbst, was ich mir koche. Geld, ab und an mal im Restaurant zu essen, habe ich zwar, bevorzuge aber die selbstgemachte Variante. Auswärts essen gibts bei uns eigentlich nur, wenn wir einfach mal zu faul zum kochen oder zu spät nach Hause gekommen sind. Auch das Partyleben der Großstädte habe ich bis vor einiger Zeit sehr genossen, zu sehr vielleicht, die Puste ist im Moment ziemlich raus. Es zieht mich nicht in die lauten Diskotheken, verrauchten Kneipen und großen Open-Air-Veranstaltungen. Zu voll ist es mir, zu viel Dreck, zu viele übel riechende Menschen. Einzig Cocktailabende mit meinen Mädels sind die kleine Odyssee in die Innenstadt wert.
Die Pendler: sie wohnen zu Hause, vielleicht, weil sie eine eigene Wohnung oder WG nicht finanzieren können oder wollen, vielleicht, weil es zu Hause einfach zu bequem ist und vielleicht, weil sie anderswo einfach zu viel Heimweh hätten. Aber eines haben sie gemeinsam: sie wohnen alle verhältnismäßig weit weg von ihrer Universität. Und das wirkt sich bei vielen negativ auf die Laune aus: mal wieder mussten sie viel zu früh aufstehen, mal wieder kam die eine Bahn pro Stunde zu spät, mal wieder war die Anschlussbahn zu früh weg, mal wieder hatte man keine Zeit, zu frühstücken, mal wieder war der Kaffee alle, mal wieder hat man überhaupt keinen Bock mehr, mal wieder muss man sich nach dem Unterricht beeilen, um den blöden Bus noch zu kriegen... Zwar gibt es auch die, die nach monatelangem Pendeln immer noch so motiviert sind, wie am ersten Tag, aber die begegnen mir eher selten. Trotz meiner Nähe zur Uni habe auch ich häufig Probleme mit der bahneigenen Pünktlichkeit, der wenigen Zeit am Morgen und dem fehlenden Kaffee. Dennoch sind diejenigen, die um sechs aufstehen müssen, um um zehn in der Uni zu sein nun wirklich nicht zu beneiden. Respekt denjenigen, die es da noch schaffen, sich morgens (statt abends) zu duschen und hübsch zu machen.
Die WG-ler: zu Hause wohnen ist nicht, weil zu weit, weil zu stressig, weil zu doof, weil zu viele Eltern... Und sozialtechnisch war man ja auch nie der Versager - wieso also nicht in eine WG mit netten Mitbewohnern, vielleicht sogar Studenten, vielleicht sogar des eigenen Fachs ziehen? Ich persönlich habe mit WGs eher schlechte Erfahrungen gemacht: zwar mögen die Leute nett sein (oder noch schlimmer: sie sind es nicht), dennoch weiß man vorher nicht, was für Marotten sich in jedem einzelnen verstecken: der eine räumt sein Zimmer nie auf, der andere lässt morgens sein Geschirr auf dem Tisch stehen, der dritte blockiert morgens das Bad, der vierte braucht eine eigene Waschmaschinentrommel, der nächste hört viel zu laut Musik, wieder einer schnarcht wie ein Traktor und und und. Das ist, zugegeben, eine recht negative Sichtweise und sehr unrepräsentativ. Doch passieren kann es. Im Studium kennen gelernt habe ich schon einige sehr zufriedene WG-ler, einige, die ihre Mitbewohner zuletzt beim Einzug gesehen haben, einige, die Freunde fürs Leben gefunden habe und einige wenige, die so schnell wie möglich wieder raus wollen.
Und dann gibt es noch so welche, wie ich: sie leben nicht zu Hause, nicht alleine, nicht in einer WG, sondern zusammen mit ihrem Partner. Sie fahren eine Weile zur Uni, essen Selbstgekochtes, haben den Großteil ihres Freundeskreises außerhalb der Uni und verbringen lieber einen netten Abend mit Freunden im Kino, Cafe oder zu Hause. Ob das die bessere Wahl ist, kann ich nicht beurteilen. Ich jedenfalls bin sehr zufrieden. Vom Großstadtrummel habe ich fürs Erste genug, zwar kenne ich viele Studenten, begrüße sie, unterhalte mich, tausche Hausaufgaben und einige private Infos. Wirkliche Freunde habe ich an der Uni aber eher wenige. Die allerdings habe ich dann nicht nur an der Uni, sondern auch im Privatleben. Was Marotten von Mitbewohnern angeht, wenn es um einen lieben Menschen geht, kann man über alles reden. Und auch meine eigenen Marotten werden nicht nur kritisiert, sondern gemeinsam aus der Welt geschafft.
Mein Studentenleben ist also eher unspektakulär, mein Studienfach nichts Herausragendes, meine Beziehung zur Uni eher rein wirtschaftlicher Natur. Ich habe keine Uni-T-shirts, empfinde keinen besonderen Stolz und sehe mich auch nicht unbedingt als gebürtige Kölnerin. Ich gehe einfach zur Uni, studiere einfach, arbeite einfach, lebe einfach. Und ich habe ganz viel Spaß.
Man muss nicht unbedingt in das Klischee des "Studenten" schlüpfen, um eine schöne Zeit an der Uni zu erleben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen