Donnerstag, 14. Juli 2011

Was in unserer Politik gründlich schief läuft – Teil 1: Gesundheit


Ich denke jeder hat schon einmal die Erfahrung gemacht: man fühlt sich krank, geht zum Arzt, dieser schaut einem kurz in den Mund, lässt Blutdruck messen oder einem das Blut abnehmen (das aber auch nicht selbst), schaut sich die Ergebnisse kurz und, schreibt ein Medikament auf und sagt „Auf Wiedersehen!“. Das Gespräch mit dem Arzt ist schnell vorbei, die geschilderten Symptome hat der Arzt schon tausende Male gehört, das Medikament wird entsprechend der Versicherung verschrieben und man sieht sich im besten Fall nicht so schnell wieder. Die meisten sind froh, wenn sie nach einer oft sehr beachtlichen Wartezeit dann endlich das ersehnte Medikament in der Apotheke abholen und es zu Hause im Bett einnehmen können. Routinebehandlungen gehen schnell, der Arzt sagt nicht viel, man selbst umso mehr. Was aber, wenn man sich doch schneller wiedersieht, als gedacht? Was, wenn die Medikamente nicht geholfen haben, die Symptome nicht weg und vielleicht sogar mehr sind? Was, wenn es doch keine Routinekranheit ist, sondern vielleicht ein wenig mehr?
Wer meinen Blog schon länger verfolgt hat sicherlich meinen Beitrag über Nackenschmerzen gelesen. Ich bin erst 22 (vorher noch 21) und litt bereits Anfang des Jahres an einem recht hartnäckigen Tinnitus (der zwar noch da, aber kaum merklich ist), dem sehr aufdringliche Nackenschmerzen folgten. Ein Besuch beim Orthopäden sollte die Ursache klären: das Röntgenbild zeigte tatsächlich eine kleine Fehlstellung der oberen Halswirbel. Die waren schnell eingerenkt und ich noch schneller nach Hause entlassen. Nach vier Wochen sollte ich wieder kommen. Hatte sich etwas gebessert? Leider nein. Es folgte eine weitere kleine Untersuchung: meine Nackenmuskulatur sei verspannt. Ein Medikament sollte die Verspannungen in wenigen Tagen lösen, Krankengymnastik für nachhaltige Liderung sorgen. Klang soweit ganz gut. Das Medikament lähmte mich nachts zwar, entspannte tagsüber aber leider gar nichts. Die Massagen bei der Krankengymnastik taten mir sehr gut und nach sechs Behandlungen habe ich das Gefühl, es ist etwas besser geworden. Weg sind die Schmerzen allerdings nicht, die Verspannungen auch nicht und auch die Geduld wird nicht mehr lange halten. Also geht es wieder zum Arzt. Sechs weitere Sitzungen bei der Krankengymnastik würden sicher Wunder wirken und es war Anfang des Monats, da werfen die meisten Ärzte mit Rezepten nur so um sich. Umso enttäuschender die Bilanz des Besuchs: er hat meinen Nacken nicht ein Mal berührt. Schlau eigentlich, so kann er sich in Unschuld suhlen und behaupten, er wüsste nicht, wie schlimm es wäre. Er sagte, er könne mir keine weiteren Sitzungen verschreiben. Der Grund: die Krankenkassen zahlen erst in drei Monaten wieder. Wenn er mir jetzt ein Rezept verschrieb, könnte die Krankenkasse am Ende noch kommen und sagen: „Oh, oh, sie haben da jemandem Krankengymnastik verschrieben. Und das so schnell hintereinander. Das gefällt uns ganz und gar nicht. Wir zahlen nicht.“ Er würde mich zwar verstehen, dass das sehr unfair wäre, da könne er aber nichts tun. Desweiteren fragte er nicht nach, wie sehr es noch schmerzen würde. Er sagte lediglich, ich solle Sport machen (entgegen der Meinung der Physiotherapeutin, die sagte, ich solle die Muskulatur nicht überbelasten, damit sie nicht weiter verkrampfe – wer hat nun Recht?), schwimmen oder was auch immer. Das würde schon wieder weggehen. Klar, nach drei Monaten, in denen wegen Einrenken, noch Medikamente, noch Massagen geholfen haben. Da mache ich Sport. Genau, wie vorher. Dann wird wieder alles gut.
Was soll ich von einer solchen Behandlung halten? Wenn die Methoden eines Arztes nicht helfen, ist der Patient am besten daran, sich selbst zu versorgen? Wenn die Behandlung nicht hilft, hilft es vielleicht, einfach mal gar nichts zu tun? Wie vorher? Soll ich das so verstehen, dass die Behandlungen irgendwie kontraproduktiv waren?
Oder nimmt mich der Arzt vielleicht nicht ernst? Glaubt er, ich bilde mir die Schmerzen nur ein? Übertreibe? Scherze gar? Sind ihm meine Beschwerden zu langweilig? Kann er an mir nicht genügend Geld verdienen? Bin ich ihm nicht „Patient“ genug – eine 21/22-jährige mit Nackenschmerzen?
Ich habe mit meiner Krankenkasse telefoniert und die sagte mir, dass sie bei medizinischer Notwendigkeit ohne Probleme auch für weitere sechs Sitzungen zahlt. Sah der Orthopäde etwa keine „medizinische Notwendigkeit“? so oder so hat er mich ganz offensichtlich belogen. Nicht nur sagte er mir nach jedem Besuch, es würde besser werden (nach dem Einrenken: Ich: „Wird das denn schnell besser?“ Er: „Das kann ich nicht sagen, aber es wird besser.“ – Wurde es nicht. Beim nächsten Besuch: Ich: „Wie schnell werden die Medikamente helfen?“ Er: „Nehmen sie einfach drei Stück, danach ist alles wieder gut.“), meine Nackenschmerzen sind aber noch da. Auch sagte er, die Kasse würde nicht zahlen, was nicht stimmt, denn verschreibt der Arzt die Krankengymnastik, zahlt sie ohne zu meckern, denn sie nimmt an, dass der Arzt ja nicht grundlos Rezepte verschreibt. Hat er da bewusst gelogen? Oder war es vielleicht die nette Art mir zu beteuern, dass er mich verstehe, aber nichts tun könne – eine Lüge?
Generell ist es ein großes Problem, dass sich Ärzte nicht genügend Zeit für ihre Patienten nehmen. Die Gespräche mit dem Arzt dauerten keine fünf Minuten. Jeder Besuch ergab eine andere Ursache: das Röntgenbild zeigt dies, das muss es sein. Die Nackenmuskulatur zeigt das, das muss es sein. Patientin krächzt nicht vor Schmerzen, so schlimm kann es also nicht sein. diese „Wischi-waschi“-Behandlungen aber bezahlt die Krankenkasse. Die Röntgenaufnahmen bezahlt sie, die Sprechstunden bezahlt sie, Medikamente bezahlt sie (wenn auch nur in Teilen), Krankengymnastik bezahlt sie (auch hier nur in Teilen).
Aber mal ganz ehrlich: so viele Patienten, die wiederkommen, weil ihre Beschwerden nach Monaten immer noch da sind – da wundere ich mich nicht, dass den Kassen das Geld ausgeht! Und die Ärzte? Denen kann das egal sein: solange sie Patienten haben, haben sie auch Geld. Manchmal bekomme ich sogar das Gefühl, dass Ärzte absichtlich nicht genauer hinschauen. Da will ich aber nicht mit dem Feuer spielen.
Bestünde zwischen Krankenkassen und Ärzten ein Arbeitsverhältnis, müssten die Krankenkassen so einigen Ärzten wegen schlechter Leistung fristlos kündigen. Dass mal nicht sofort herauskommt, was der Patient hat, ist bei seltenen Krankheiten und mehrdeutigen Symptomen ja nicht ungewöhnlich. Dass ein Arzt sich den Patienten aber nicht genauer anguckt, nicht mit ihm redet, ihm die Unwahrheit sagt und ihn so gar nicht für voll nimmt – das ist doch echt die Höhe! Ein anwalt glaubt doch auch an seinen Mandanten, bis zum bitteren Ende, selbst, wenn er noch so schuldig ist. Letztendlich ist es auch sein Job. Und der Job eines Arztes ist es, zu helfen. Selbst wenn es einem noch so komisch vorkommt, dass eine 21-jährige monatelang an Nackenschmerzen leidet. Selbst wenn man sich nicht sicher ist, ob die Krankenkasse auch zahlt. Ist ein Arzt davon überzeugt, dass eine Behandlung notwendig ist, dann kann er auch die Krankenkasse überzeugen.
Würden sich Ärzte mehr Zeit nehmen, würden bestimmt so einige Patienten schneller gesund werden und auch die Krankenkassen entlastet. Ein intensives Gespräch mit dem Patienten, eine ganzheitliche Untersuchung und ein wenig Hintergrundwissen haben doch noch nie geschadet. Und mit etwas Glück, kommt man der Ursache auch noch beim ersten Termin gleich auf den Grund. Zwar scheint dies für den Arzt im ersten Moment zeitintensiver, langfristig gesehen kann es aber so manchen Termin, Krankenkasse und Patient zudem noch unnötige Ausgaben ersparen. Ich kann mir eigentlich nicht erklären, warum doch so viele Ärzte viel zu wenig Zeit mit ihren Patienten verbringen. Ist es wirklich nur das Geld? Ist unsere Medizin, gewissermaßen, so „korrupt“? Vernachlässigen Ärzte ihre Patienten wirklich zugunsten von Zeit und Geld? Wenn nicht, was ist es dann?
Auch bei mir hätte man sich Röntgenaufnahmen und mindestens einen Termin sparen können. Ein leichter Druck auf meine Nackenmuskulatur hätte sofort ergeben, dass es sich um Verspannungen handelt. In einem persönlichen Gespräch hätte der Arzt erfragen können, woher diese Beschwerden rühren könnten. Falsche Haltung? Nein. Viel am Computer? Ja, aber ich achte sehr auf einen gerade Rücken. Stress? Definitiv, aber gegen den kann man leider nicht allzu viel ausrichten. Aber will der Arzt das alles wissen? Schreibt er sich so etwas etwa in die Akte? Nein. Dort steht: Tinnitus, Nackenschmerzen, Verbesserung, Verbesserung, Krankengymnastik, Relaxans, Verbesserung… Und tschüss.
Und das beste: Bei meinem ersten Termin stellte der Orthopäde fest, dass ich einen Plattfuß habe. Das weiß ich schon, seit ich klein bin, allerdings taten mir Einlagen immer weh. Ich bekam trotzdem neue. Geändert hat sich nicht viel. Ich trage sie. Schluss. Als ich ihm von einer Knie-OP erzählt habe und fragte, ob es Stützverbände gibt, die er mir verschreiben könnte, weil das Knie beim Sport manchmal die Kraft nicht aushält und „abknickt“, sagte er mir lediglich, ich solle keinen Sport machen, bei dem das passiert. Bei meinem letzten Termin war das aber schon wieder ganz vergessen – Sport solle ich machen, ganz gleich welchen. Und jedes Mal lächelt er nett. Und lächelt. Da bekomme ich dezente Aggressionen…
Ich will nicht sagen, dass alle Ärzte so sind, doch es müssen eine ganze Menge sein, denn ich habe schon viel zu viele Menschen kennengelernt, denen es so erging, wie mir. Und wer leidet letztendlich darunter? Patienten und Krankenkassen. Krankenkassen zahlen und zahlen für immer mehr nicht notwendige Behandlungen und ihnen geht das Geld aus. Patienten wird einfach nicht geholfen, mit jeder Behandlung sinkt die Hoffnung, die Krankenkassen haben weniger Geld und übernehmen weniger, man kann immer weniger aus eigener Tasche bezahlen und bleibt am Ende auf seinen Beschwerden sitzen. Dabei hätte es bei vielen doch so schnell gehen können. Und so preiswert. Nicht die Gesundheit kostet uns so viel – es ist die verschwenderische und nur vermeidlich zeitsparende Behandlungsphilosophie vieler Ärzte.
Im Übrigen habe ich bislang selbst nicht nur diesen einen Arzt kennengelernt, der sich nicht einmal fünf Minuten Zeit für mich nahm. Aber glücklicherweise traf ich auch einige, die sich meine Probleme anhörten. Bis jetzt wurde ja auch jede Kleinigkeit wieder geheilt. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass auch die Nackenschmerzen irgendwann weg sind.
Was ich jetzt tun werde? Zu dem Orthopäden werde ich nicht noch einmal gehen. Ich bin nicht nur von der Behandlung enttäuscht, sondern auch von ihm. Er vertraute mir nicht und erfand bloß Ausreden. So einen Arzt brauche ich nicht. So einen Arzt braucht niemand. Ich werde zu meiner Hausärztin gehen, ihr die Situation erklären und hoffen, dass sie mit weitere Sitzungen bei der Krankengymnastik verschreibt. Allen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben oder machen – viel Erfolg! Die Gesundheit ist es wert, dafür zu kämpfen. So unfair es auch ist.
Und was hat das mit der Politik zu tun? Ganz einfach: die Politik konzentriert sich auf die Krankenkassen. Geld muss her, doch der Staat hat ja selbst keines. Die Politik macht es ja selbst immer wieder genauso falsch: sie behandelt Symptome, immer und immer wieder, mit Geld, mehr Geld und nochmals einer dicken Stange Geld, anstatt einmal intensiv an den Ursachen zu arbeiten. Würde es Zeit kosten? Ja. Aber würde es nicht auf Dauer Zeit sparen? Ja, das würde es. Wieso nur leben so viele Menschen in einer Welt, in denen es keine Zukunft gibt? Wieso wollen so viele nicht langfristig denken? Können Sie es nicht? Wollen sie es nicht?
Der Gedanke, dass ich bald Teil dieser (Arbeits-)Welt sein werde ist schon fast unerträglich.

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