Freitag, 8. Juli 2011

Vorurteile über Behinderte und wie sie entstehen

Im Rahmen meiner Initiative gegen Vorurteile möchte ich von Zeit zu Zeit auch über Erlebnisse schreiben, die mich zum Nachdenken über diese Thematik bringen. Vorurteile sind überall und können wirklich jedem begegnen. Auch können Vorurteile nicht nur auf tatsächlichen Erfahrungen beruhen, sondern auch auf völlig absurden Hypothesen. So hält sich, meist glücklicherweise nur aus Spaß, das Vorurteile, blonde Frauen seien dümmlich, sehr hartnäckig. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die Vorurteile gegenüber einer bestimmten Gruppe gerade zu "provozieren". Das können blonde Frauen sein, die behaupten, blond zu sein, würde gewisse Dummheiten rechtfertigen. Es kann sich aber auch um Gruppen handeln, die tatsächlich mit ernsthaften Vorurteilen zu kämpfen haben.

Heute möchte ich über meine Erfahrungen mit Behinderten berichten. Das Thema "Behinderte" ist ziemlich sensibel und sollte mit Vorsicht behandelt werden, denn man gerät sehr schnell auf die Vorurteilsschiene. Dennoch halte ich es für falsch, alles zu verschönigen und zu übersehen, was man kritisiert. Auch, wenn es um Behinderte geht. Denn sie sind doch Menschen wie jeder andere auch.

Meine erste Begegnung mit jemandem, der als behindert gilt, war relativ früh, mit etwa zehn Jahren. Meine Eltern hatten Bekannte, deren Tochter in ihrer Kindheit plötzlich gelähmt wurde. Von einem Tag auf den anderen (und das meine ich wörtlich) musste sie beginnen, ihr Leben im Rollstuhl zu verbringen. Ein tragisches Los, vor allem, da sie noch so jung war (ich meine, sie hätte gerade ihre Grundschule beendet).

Durch sie habe ich früh gelernt, dass man manche Dinge im Leben einfach akzeptieren muss, anstatt ein Leben lang zu versuchen, sie aus dem Bewusstsein zu verdrängen. Denn trotz der viele Nächte, die man schlaflos unter Tränen hinter sich bringt, der nächste Tag kommt und es wird sich nichts ändern. Und irgendwann beginnt man zu träumen, doch diese Träume sollten im Schlaf bleiben und nicht in die Realität einziehen.

Ihre Mutter war unglaublich fürsorglich, behandelte sie aber keinesfalls bevorzugt. Ihre Familie hatte nicht viel Geld, da waren keine großen Sonderwünsche drin. Sie wurde nicht verhätschelt, nicht mehr verwöhnt, als es für ein Kind notwendig und gut ist. Sie hatte ihre Aufgaben, die sie erledigen und ihre Schule, die sie beenden musste. Zu Ausflügen mit Freunden und Bekannten wurde sie stets mitgenommen, sie sah viel von der Welt - wenn auch nur von der deutschen. Es blieb nicht viel Zeit nachzudenken, worüber man nicht nachdenken sollte.

Und so machte sie einen guten Abschluss und begann, zu studieren. Ich habe sie als sehr lebenslustige, offenherzige und großzügige Person erlebt. Sie war hilfsbereit und selbstständig. Das war und ist bis heute sehr beeindruckend. Heute lebt sie mit ihrem Freund zusammen, hat ihr Studium beendet und arbeitet. Das kann bei weitem nicht jeder von sich behaupten.

Eine andere Geschichte erzählt von einer Bekannten meiner Mutter, die seit ihrer Geburt mit mehreren Behinderungen lesen muss. Sie sieht nur auf einem Auge, kann einen ihrer Arme nicht richtig bewegen und hat ein Problem mit ihrer Hüfte, weswegen ihr das Gehen schwer fällt. Zudem ist sie Ausländerin und hat neben einem deutschen Akzent noch einen leichten Sprachfehler.

Auch sie ist akademisch hoch gebildet, hat es aber durch ihre doch sehr vielfältigen Behinderungen sehr schwer, Arbeit selbstständig durchzuführen. Lesen und Schreiben geht nicht ohne Hilfsmittel oder sogar eine Hilfskraft. So lernte ich sie im Übrigen kennen: sie stellte mich als Assistenz ein. Meine Aufgaben waren vielfältig: ich sollte Interviews, die sie geführt und auf Band aufgenommen hatte, aufschreiben, Emails verschicken, ihre Recherchen niederschreiben etc. Oftmals half ich nicht nur physisch, sondern stand ihr auch zur Seite, wenn sie fragen bezüglich der deutschen Sprache hatte, verbesserte Fehler, die sie in Texten gemacht hatte und formulierte einige Emails um.

Die Zusammenarbeit war nicht immer einfach. Zwar fielen mir die Aufgaben nicht sonderlich schwer, bin ich doch in der Generation Computer aufgewachsen und war seit jeher ein kleiner Schreiberling. Dennoch musste ich von Zeit zu Zeit feststellen, dass meine Engagement nicht immer die Anerkennung bekam, die es verdiente.

Beim Aufschreiben der Interviews z. B. sollte ich auf den genauen Wortlaut achten. Ich hielt es allerdings für legitim, Sätze, die Fehler in Grammatik, Satzbau oder Wortwahl enthielten, richtig aufzuschreiben. Diese machte nicht immer, aber in den meisten Fällen meine Arbeitgeberin, die von sich so überzeugt war, dass sie von Fehlern nichts wissen wollte. Immer wieder erklärte sie mir, dass sie trotz ihrer Behinderung einen guten Universitätsabschluss gemacht hatte und ein Profi auf ihrem Gebiet war. Ich solle sie daher nicht so hinstellen, als sei sie irgendwie unfähig.

Natürlich war das ganz und gar nicht meine Absicht gewesen. Ich machte keinerlei Unterschied zu anderen Arbeiten, in denen ich Menschen, die Dokumente veröffentlichen wollen, auf Fehler in diesen hinweise. Im Gegenteil, gewissermaßen übernehme ich sogar die Lektorenrolle, die jeder Autor in Anspruch nehmen sollte. Und mit einer möglichen Herabstufung ihrerseits hatte mein Verhalten auch nichts zu tun. Ich mache meine Arbeit gründlich und ich lege viel Wert auf Korrektheit von Texten, in inhaltlicher und grammatikalischer Hinsicht. Doch für meine Arbeitgeberin war dies kein Argument. Immer wieder machte sie mich darauf aufmerksam, dass sie etwas doch ganz anders gesagt hätte. Sie wurde häufig sehr emotional, stand kurz vor Tränen, wenn sie mir klar machte, dass ihre Behinderung und auch ihr Migrationshintergrund sie immer sehr belastet haben und sie niemand deswegen ernst nimmt. Dass ich sie ernst nahm, war ihr leider nur wenig wert.

Ich möchte dieses Verhalten aber keinesfalls verurteilen. Vielmehr möchte ich darüber nachdenken, wieso es zu dieser doch sehr negativen und auch traurigen Einstellung gekommen ist.

Diese Bekannte hat, wie ich später feststellen konnte, ihr Schicksal nicht gänzlich akzeptiert. Nicht nur sind ihre emotionalen Ausbrüche Zeichen dafür, sondern auch die Tatsache, dass sie sich regelmäßig bei Wahrsagern Rat über ihre Zukunft sucht. Diese Erkenntnis hat mich sehr berührt. Während ich Menschen, die im Fernsehen anrufen, an Horoskope glauben und in die Ateliers verschiedener Leserinnen und Legerinnen gehen, verhöhnt habe, wurde mir klar, was für Menschen das eigentlich sind, die so sehr an diesem (Irr-)Glauben festhalten. Und umso mehr war ich empört darüber, dass so viele Menschen bereit sind, diesen Hoffnungsschimmer auszunutzen. 

Jeder Mensch braucht jemanden, auf den er sich verlassen kann. Behinderte wahrscheinlich noch mehr, als gesunde Menschen. Natürlich will man irgendwann selbstständig sein, etwas erreichen, ein normales Leben führen - sofern dies eben möglich ist. Dennoch kann man den Gedanken, dass man anders ist, nicht einfach verdrängen. Man kann nicht so tun, als wäre da gar nichts. Dass dieses Etwas aber bei weitem nicht so tragisch sein muss, das wird einem nur selten gesagt. Vielmehr wird man von allen wie ein Sonderling behandelt, wie jemand, der auf andere angewiesen ist, immerzu Hilfe braucht, selbst nichts auf die Reihe bekommt. Das dämmt das Selbstbewusstsein - obwohl Behinderte nicht weniger ein Recht auf ein gesundes Selbstbewusstsein haben, als alle anderen auch.

Was dadurch wahrscheinlich entsteht, ist der Eindruck, dass dieses Verhalten normal ist. Viele Behinderte möchten und verlangen sogar, dass man sie "normal" behandelt. Die Definition von "normal" liegt allerdings im Auge des Betrachters. Denn obwohl man es versucht, ertappt man sich wohl häufig dabei, dass man eben doch nicht "normal" mit Behinderten umgeht. Die meisten werden da sicher zustimmen, dass man in einigen Situationen einfach unbewusst davon ausgeht, dass man dem Behinderten eine alleinige Konfrontation nicht zumuten kann. Dieses Gefühl kennen auch Mütter, die ihren Kindern bei allem helfen wollen, weil sie glauben, die Kinder kämen mit vielem noch nicht klar. Dabei können Kinder schon in jungen Jahren unglaublich viel alleine schaffen. Und sie wollen es sogar! Nur traut es ihnen kaum jemand zu. Und so erzieht man Kinder oft zur Unselbstständigkeit. Auch Behinderten wird oft eine gewisse Selbstständigkeit verwehrt. Sicher gibt es wohl Dinge, bei denen sie tatsächlich Hilfe brauchen. Aber hat die nicht jeder?

Meine Erfahrung ist, dass Menschen, die im Laufe ihres Lebens schwer erkranken oder behindert werden, mehr darauf bedacht sind, ihre Selbstständigkeit durchzusetzen. Mein Vater ist ein gutes Beispiel dafür. In seinen 40ern erkrankte er unheilbar und hat sich seit dem sehr verändert. Vor allem körperlich ist für ihn lange nicht mehr all das möglich, was früher selbstverständlich war. Viele Tätigkeiten werden schon nach kürzester Zeit anstrengend und bringen ihn an seine Grenzen. Das Gefühl des eigenen Körpers wird schwächer, die Fingerspitzen taub, der Körper schwer und unbeweglich. Man will möglichst viel alleine machen, man versucht es, doch manchmal braucht man einfach Hilfe. Mein Vater ist sehr stolz. Und um Hilfe bittet er erst im absoluten Notfall. Es ist schwer, sich damit abzufinden, dass man "bedürftig" ist. Man träumt von der Zeit, in der noch alles gut war. Man wird melancholisch. Und man wird auch aggressiv. Wenn Dinge nicht klappen, wie sie es früher einmal taten, ist man gereizt. Man verflucht sein Schicksal und sehnt sich Erlösung herbei. Viele verweilen in diesem Stadium, viele schaffen es aber auch, es hinter sich zu bringen. Wie ich gemerkt habe, ist vor allem der Antrag eines Behindertenausweises für viele eine große Hürde. Denn behindert zu sein, dass lässt sich gut beiseite schieben. Doch wenn es erst einmal offiziell ist - dann wissen es alle. Und dann geht die Geschichte los. Und alle wollen bloß helfen. Man gerät in den Mittelpunkt seines Umfelds und es wird einem dadurch Tag für Tag deutlicher, dass man nun anders ist.

Neben oder auch unter denen, die versuchen, das Beste aus ihrem Schicksal herauszuholen und denen, die diese letzte innere Hürde (noch) nicht überwunden haben, habe ich noch eine weitere Erfahrung mit Behinderten gemacht. Während ich für die einen Respekt, für andere (und verurteilt mich deswegen bitte nicht) viel Mitleid empfinde, gibt es auch die Sorte, bei denen mein Verständnis an seine Grenzen trifft.

Wir alle haben Probleme. Die einen weniger, die anderen mehr, einige gravierendere als andere. Doch jeder von uns hat ein Päckchen beliebiger Größe zu tragen, dass uns mal leichter, mal schwerer erscheint. Und da der Mensch ein soziales Wesen und auf eine Gesellschaft angewiesen ist, gilt die unausgesprochene Regel "Eine Hand wäscht die andere". Wir helfen einander, wo wir können und uns wird geholfen. Doch in jeder Gesellschaft findet sich auch jemand, der sich die sogenannte "Extrawurst" zu gönnen versucht. Jemand, der Ansprüche erhebt, die über das hinaus gehen, was üblich ist.

An der Emanzipation der Frau fest zu halten, ist bis zu einem bestimmten Grad nicht nur akzeptabel, sondern auch erforderlich. Falsch ist es meiner Meinung nach allerdings, als Frau z. B. darauf zu bestehen, dass man einem höherqualifizierten Mann vorgezogen wird, nur auf Grund der Tatsache, dass man eine Frau ist. Zwar sollte man vom traditionellen Bild, Führungspositionen seien Männern vorbehalten, Abstand nehmen, dies aber nicht in eine Diskriminierung des Mannes umwandeln. Ich als Frau behaupte, dass auch uns Frauen oft nicht das zugetraut wird, was wir wirklich könnten. Durch eine Frauenquote soll uns der Zugang zu höheren Arbeitspositionen eröffnet werden, dies sollte aber nicht bedeuten, dass Frauen einen Freifahrtschein haben. Man muss an beiden Seiten arbeiten. Männer sollten nicht aufgrund ihres Geschlechts Frauen vorgezogen werden, sondern aufgrund ihrer Qualifikationen und ihrer Eignung. Und auch Frauen sollten an diese Kriterien gebunden werden. Und auch was Sicherheitsmaßnahmen zugunsten von Frauen angeht, habe ich eine gewisse Skepsis. Frauen werden häufiger Opfer von Raubüberfällen und Gewalttaten, weil sie als schwächer gelten. Wenn man die Wahl hat, greift man schließlich nicht unbedingt den Boxer an seinem Auto an, sondern wartet lieber, bis die schmächliche kleine Frau um die Ecke gebogen kommt. Und leider tragen viele Frauen selbst zu diesem Bild bei. Das Geschlecht im Bewusstsein der Gesellschaft stärken wäre angesagt. Und auch die Übermacht des Mannes darf man ruhig anzweifeln. Denn auch die werden leider oft genug Opfer von Gewalttaten. Sicherheitsmaßnahmen sind gut, aber ohne eine gründliche Wurzelbehandlung leider nur bedingt wirkungsvoll.

Auch Behinderten werden viele Sonderrechte zugesprochen. Viele sollen den Zugang zu bestimmten Institutionen erleichtern, stellen Geldmittel zur Verfügung oder Dienstleistungen. Und vieles davon ist wichtig, nicht zuletzt, weil die Gesellschaft voller Vorurteile ist und nur von Chancengleichheit redet, anstatt sie zu praktizieren. Fragt Euch doch einmal selbst: hättet ihr die Wahl, bei gleicher Qualifikation, zwischen einem gesunden Menschen und einem Behinderten für eine Stelle in einem Unternehmen, bei dem der Behinderte nicht benachteiligt wäre (z. B. dass die Stelle nicht viel Bewegung erfordert, die ein Behinderter evtl. schwer ausführen könnte), einen von beiden einzustellen, würde vielleicht einer von hundert oder tausend tatsächlich den Behinderten wählen. Ich selbst kenne jemanden, der dies getan hat. Doch er ist der einzige, von dem ich in meinem Bekanntenkreis gehört habe.

Doch auch bei der Vergabe von Sonderrechten an Behinderte sollten gewisse Voraussetzungen gelten.

Eine aktuelle Situation in meinem Freundeskreis hat mich ein wenig darüber nachdenken lassen. Ich selbst beziehe für mein Studium Bafoeg. Es ist zur Hälfte zinsloses Darlehen, zur anderen Hälfte Förderung, die ich nicht zurückzahlen muss. Aber um diese Hälfte kann ich mich nicht so einfach drücken. Und auch für die Zahlung muss ich einiges tun. Ich kann meinen Studiengang nicht immer ohne weiteres wechseln, ich muss Leistungsnachweise erbringen, ich darf nicht zu oft durchfallen und vor allem nicht viel länger brauchen, als es die Studienordnung vorsieht. Um Wohnung und Verpflegung muss ich mich selbst kümmern und auch meine Lernmaterialien kommen mir nicht unbedingt zugeflogen. Mit meinem guten, mittleren NC komme ich zwar in viele Studiengänge rein, aber eben nicht in alle. Würde ich bspw. Medizin studieren wollen, müsste ich mehrere Jahre warten, um überhaupt eine minimale Chance zu bekommen (zumindest in Köln).

Um Behinderten den Zugang zur Hochschule zu erleichtern, gibt es die sogenannte Härtefallregelung. In diesem Fall spielt der NC keine Rolle. Diese Regelung lässt sich im Grunde ganz gut durchsetzen. Ein bestimmtes Kontingent an freien Studienplätzen gibt es fast immer und wieso sollten Behinderte nicht auch studieren dürfen, was ihnen Spaß macht?

Eine Kleinigkeit jedoch, die macht mich etwas stutzig. Das Studium ermöglicht eine Berufsqualifikation. Das bedeutet, dass jemand, der studiert, sich für eine bestimmte Berufsgruppe entscheidet, in der er später tätig sein will. Viele Behinderte sind allerdings nicht in der Lage, gewisse Berufe aus zu üben. Jemand, der seine Arme nur schwer bewegen kann, wird sich als Programmierer schwer durchsetzen können. Im Übrigen halte ich es auch nicht unbedingt für richtig, einem Unternehmen Geld zu zahlen, damit es einen Behinderten beschäftigt. Aus wirtschaftlicher Sicht ist das auf Dauer auch nicht tragbar - warum muss der Steuerzahler dafür aufkommen? Und auch aus menschlicher Sicht finde ich es leicht herabwürdigend, wenn ich weiß, dass man meinen Arbeitgeber bezahlt, damit ich für ihn arbeite. Darauf kann doch wirklich niemand stolz sein: weder der Behinderte, noch der Arbeitgeber, noch der Staat! Da muss eine ganz andere Herangehensweise her!

Genauso wenig halte ich es für sinnvoll, jemanden mit einen geistigen Behinderung etwas studieren zu lassen, das in irgendeiner Weise mit der Psyche anderer Menschen zu tun hat. Ich denke da an Berufe wie Lehrer oder Psychologen. Trotz Härtefallregelung sollte man doch genauer hin schauen, ob ein Studium überhaupt zu der Ausübung eines Berufs befähigen kann. Ist dies möglich, spricht nichts dagegen, Sonderregelungen walten zu lassen. Doch in einigen Fällen muss ich einfach sagen, dass es ein gewisses Ungleichgewicht gibt zwischen Hilfestellung und Unfairness.

In meinem Bekanntenkreis trat neulich folgende Situation auf: ein behinderter Student möchte sich für ein weiteres Studienfach bewerben. Er zeigt in seiner Behinderung unter anderem autistische Züge und ist charakterlich leider wenig ausgeglichen. Er schweift ständig ab und verweilt lange Momente in Tagträumen. Und auch privat beherrscht ihn das Chaos. In Ermangelung eines sich kümmernden Vaters, sucht er in Büchern und Spielen nach einem Ersatz, nach Helden, mit denen er sich zu identifizieren versucht. Ein, zugegeben, eher kindlicher Zug, für einen über 20-Jährigen. Freud stellte diese Form von Abwehrmechanismus in seiner Psychoanalyse fest und bezeichnet sie als Widerstand und auch Schutz des psychischen Gleichgewichtes.
Die Wahl des Studenten für ein Zweitfach wäre übrigens Psychologie gewesen. Ein Beruf, den er mit Sicherheit, niemals hätte ausüben können - oder dürfen. Das klingt vielleicht hart und für einige unfair, doch es ist, auch völlig unabhängig von der Behinderung, eine Tatsache. Es gibt Menschen, die sind für diesen Beruf geeignet und Menschen, die sind es eben nicht. Die Gründe dafür sind meiner Meinung nach völlig egal. Und ob behindert oder nicht - bei manchen Berufsfeldern sollte man einfach genauer auf eine Eignung achten. Und weniger auf den NC. Praktizierbar ist dies natürlich nicht. Für so etwas will  man schließlich kein Geld ausgeben.

Was mich aber, abgesehen von der doch sehr unpassenden Studienwahl, sehr überrascht und auch etwas schockiert hat, war seine Reaktion auf die Absage der Universität, mit der Begründung, er studiere ja schon ein anderes Fach. (Wobei ich hier nicht davon ausgehe, dass dies tatsächlich die einzige Begründung ist)
Das rege Unverständnis für diese Entscheidung und die Empörung darüber kann ich leider nicht nachvollziehen. Denn auch ein gesunder Student kann nicht einfach mal eben so ein zweites Fach studieren. Es gibt Voraussetzungen, für alle. Es gibt Sonderregelungen, aber keine Ausnahmen für alles. Und das ist es, was mich so stört. Besagter Student geht bei den ihm entgegen fallenden Leistungen eben nicht von Sonderregelungen (und das Wort mag für einige etwas entwürdigend gewählt sein) aus, sondern von Ausnahmen, die ihm gelten. Soweit ich von anderen mitbekommen habe, genießt er auch zu Hause Vorzüge, die man nicht allein dem Kreis der Behinderten, sondern viel mehr dem der Wohlhabenden zuzuschreiben ist. Ich halte diese Unterscheidung für wichtig, da man diese zwei Punkte strikt auseinander halten sollte. Denn es ist vielmehr ein Phänomen der Wohlhabenden, sich gewisse Ausnahmen zur Regel zuzugestehen.

Und an dieser Stelle schließt sich der Kreis zum Titel dieses Beitrags.

Denn die Unzufriedenheit, die ich bei dem Verhalten des besagten Studenten empfinde, richtet sich nicht an ihn als Behinderter, sondern an ihn als einen verwöhnten Menschen, der die Vorzüge seines Wohlstandes auf das Leben als Behinderter überträgt. Diese gewisse "Arroganz" rührt nicht von der Behinderung, sondern von der Tatsache, dass man ihm scheinbar nie beigebracht hat, wieso er so leben kann, wie er lebt. Dass er als Behinderter in der Gesellschaft auch nicht mehr verlangen kann, als andere, während es in seiner Familie anders aussieht. Und auch, wenn ich ihn deswegen nicht verurteilen kann, denn er wird wahrscheinlich rein gar nichts dafür können, so glaube ich dennoch, dass es genau solche Fälle sind, die Vorurteile gegenüber Behinderten nähren. Denn auch als Außenstehender verbindet man die Kritikpunkte, die sich eigentlich gegen etwas anderes richten, letztendlich mit der viel offensichtlicheren Behinderung.

Wie am Anfang schon erwähnt ist dies ein sehr sensibles Thema. Im Übrigen denke ich, dass es das nur ist, weil man Behinderte "schützen" möchte. Ich selbst hüte mich manchmal davor, jemandem meine Meinung ins Gesicht zu sagen, wenn ich glaube, dass er oder sie es nicht erträgt. Doch ich denke, dass jeder lernen muss, mit Kritik klar zu kommen. Wer hat nicht schon einmal erlebt, wie jemand einem anderen nette Worte zusprach, hinter dessen Rücken aber lästerte oder Kritik aussprach? Und genau das möchte ich nicht, zumal ich der Überzeugung bin, dass die meisten Behinderten es durchaus merken, wenn man ihnen etwas vorlügt.

Ich möchte keinem Behinderten etwas vorwerfen. Weder die Behinderung selbst, noch die damit in Zusammenhang stehenden Frustrationen, Benachteiligungen, Sonderrechte etc. Vielmehr möchte ich Menschen, Behinderte oder nicht, dazu aufrufen, über den Wert, die Würde des Menschen nachzudenken. Denn meiner Meinung nach nimmt man dem Menschen mit seiner Mündigkeit auch seinen Wert. Und nimmt man einem Behinderten gegen seinen vielleicht auch unbewussten Willen seine Selbstständigkeit, nimmt man ihm auch seine Mündigkeit. Und ist die Würde des Menschen nicht unantastbar?

Jeder Behinderte kann für sich selbst entscheiden, ob er wegen seiner Behinderung an Wert verlieren oder gerade durch sie an Wert gewinnen möchte. Niemand sollte das für einen anderen entscheiden. Behinderte sind zwar behindert, aber noch lange nicht unnormal. Auch anders sind sie, aber nicht weniger fähig. In meinen Augen zeugt es nicht unbedingt von Respekt, einem Behinderten mit all den Klischees zu begegnen, die man im Repertoire hat. Von Respekt zeugt sich, sich einfach auf den Menschen einzulassen und zu sehen, was er einem zurückgibt.

Jeder stellt sich selbst auf eine bestimmte Weise dar - und beeinflusst damit auch alle anderen, die zu seiner Gruppe gehören. Und jeder sieht Menschen auf eine bestimmte Weise an, ohne hinter die Fassade zu blicken.

So wie ich hinter den Menschen, denen ich begegnet bin, viele Tatsachen entdeckt habe, die ihr Verhalten erklären und oftmals gar keinen Bezug zur Behinderung haben, möchte ich auch andere dazu aufrufen, darüber nachzudenken, ob wir nur das Vorurteil im Menschen sehen, oder das, das hinter ihm steckt.

Mittwoch, 6. Juli 2011

Japanisch für Anfänger - Lektion 3



Aufgabe 1:

tegami
daitai
noboru
jisho
naze
zutto
keito
douki
jigyou
myouji

Aufgabe 2:

ちず
ぼうし
ぶた
どくしょ
げんご
ぎゃく
でんち
ぶんぽう
えいぎょう
ぎゅうにゅう

Aufgabe 3:

がっこう gakkou
ちゅうもん chuumon
ぶんか bunka
しょくじ shokuji
ぎんこう ginkou
にゅうがく nyuugaku
ちゃんと chanto
きょうかしょ kyoukasho
つうか tsuuka
がいこく gaikoku

Aufgabe 4:

いま jetzt
ひ Tag
わたし Ich
あなた   Du
げんき Gesundheit, gesund (gut)
なに was
する    machen, tun
てれび Fernseher
ほん Buch
よむ lesen
いい   gut
じゃあ    "Also dann..."
また   wieder (hier: bis später)

Die meisten Lehrbücher schreiten von Hiragana direkt zu Katakana über. Zwar erfreuen auch die sich regen Gebrauchs in Japan, erfordern aber noch einmal eine ganze Menge Lernaufwand, bevor es zum eigentlich wichtigen Teil kommt, nämlich der Grammatik. Die ersten Schritte mit der japanischen Sprache lassen sich meiner Meinung nach problemlos ohne Katakana gehen, zumal Katakana für das tatsächliche Verständnis der japanischen Sprache auch eher unwichtig sind. Denn die Silben selbst ändern sich nicht, sondern lediglich die Silbenschrift.

Wir wollen aber erst einmal die Hiragana verinnerlichen und uns damit langsam an die Sprache herantasten.

Der erste Dialog, den wir besprechen, wird so oder so ähnlich auch in Lehrbüchern vorgestellt. Ich werde versuchen, Euch nicht nur Lehrbuchjapanisch zu zeigen, sondern auch das Japanisch, auf das Ihr höchstwahrscheinlich in Japan treffen werdet.

Zunächst will ich einige grammatikalische Merkmale erklären:

Während im Deutschen der Satzbau nach dem Schema "Subjekt" "Prädikat" "Objekt" aufgebaut ist, ist die Reihenfolge im Japanischen stets "Subjekt" "Objekt" "Prädikat". Außerdem ist es im Deutschen möglich, das Prädikat zu trennen und einen Teil ans Ende des Satzes zu verschieben, z. B. bei der Verwendung von Hilfsverben oder wie im folgenden Beispiel. Der Satz
"Das Subjekt tut dem Objekt etwas an." hätte im Japanischen den Aufbau:
"Das Subjekt dem Objekt etwas antut."

An dieser Reihenfolge ändert sich auch nichts. Niemals. Modifikationen wie Fragesätze, Haupt- und Nebensätze, Sätze, die mit W-Wörtern eingeleitet werden, Ausrufesätze usw. werden durch Füllwörter am Anfang oder am Ende des Satzes ergänzt. Ebenfalls möglich sind Füllwörter zwischen Subjekt und Objekt oder Objekt und Prädikat. Aber zu den schwierigeren Regeln kommen wir erst später.

Das Japanische verfügt außerdem über keinerlei Artikel und hat auch kein regelmäßiges Plural. Der, die und das wegzulassen fällt den meisten nicht schwer und auch der fehlende Plural wirkt zunächst vereinfachend. Dennoch sei gesagt, dass Zweiteres sehr häufig dann zu Ausdrucksschwierigkeiten führt, wenn man einen deutschen Satz, der Pluralnomen enthält, ins Japanische übersetzen will. Wer sich aber nicht zu sehr aufs Deutsche versteift, wird damit weniger Probleme haben.

Desweiteren werden japanische Verben nicht konjugiert. Die meisten werden selbst einmal den "Pseudoakzent" ausprobiert haben, bei dem man immer nur den Infinitiv eines Verbs benutzt. "Ich gehen", "du gehen", "er gehen" etc. Im Japanischen steht das Verb tatsächlich immer im  Infinitiv, was die Sache aber auch nicht viel leichter macht, es gibt nämlich auch einige Verbformen, die im Deutschen gar nicht existieren. Dazu aber erst viel später.

Während diese Regeln gut umsetzbar sind, wird die folgende für viele Japanisch Lernende schnell zum  Hindernis:
Im Japanischen haben Nomen keine Fälle.
Im Deutschen wird ein Fall aus einer Kombination aus Artikel und modifiziertem Nomen gebildet. Im Japanischen hingegen verändern sich Nomen nicht. Fälle (Genitivm, Akkusativ und Dativ) werden mithilfe von sogenannten Partikeln ausgedrückt.

Partikel sind einsilbige "Fallwörter", die stets hinter dem Nomen stehen, zu dem der Fall gehört.
Um das deutlich zu machen, hier ein Beispiel:

Die Farbe des Hauses ist Blau. (Deutsch)
Haus des(sen) Farbe Blau ist. (Japanisch)

Im Deutschen erinnert eine solche Konstruktion an Relativsätze und genau die gibt es im Japanischen in dieser Form auch nicht. Sätze wie:

Der Mann, dessen Freundin, dessen Jacke, dessen Tasche, dessen Knopf...

sind im Japanischen durchaus auch möglich. Sie klingen dann in etwa so:

Mann des(sen), Freundin des(sen), Jacke des(sen), Tasche des(sen), Knopf...

Ein deutscher Relativsatz in Form von:

Der Mann, der eine Freundin hat.

wäre im Japanischen:

Freundin haben(der) Mann.

Diese Form ist auch im Deutschen möglich, aber äußerst ungewöhnlich.

Eine weitere Besonderheit ist, dass es im Japanischen zwar Personalpronomen gibt, diese aber nur selten benutzt und häufig gar vermieden werden. Es ist unhöflich, jemanden mit "du" anzusprechen oder über jemanden als "er" zu reden. Und das unabhängig davon, ob man mit Freundin, Kollegen oder Fremden spricht. Vor allem Japanerinnen sprechen selbst von sich manchmal mit dem eigenen Namen, was für mich damals nicht nur unglaublich ungewohnt, sondern auch ziemlich witzig war. Denn im Deutschen trifft man eine solche Ausdrucksart vorzugsweise bei Kindern an, deren Psyche das "Selbst" noch nicht als semantisches "ich" erfasst hat.

Das scheint wieder einmal eine ganze Menge zu sein, und wahrscheinlich werden sich einige von Euch diese Passagen mehrmals durchlesen müssen, um sie gänzlich zu verstehen. Dennoch kann ich Euch versichern, dass man nach einiger Zeit ein Gefühl dafür bekommt, wie das Japanische funktioniert.
Wichtig ist vor allem, nicht "auf Deutsch" zu denken und das Gedachte ins Japanische übersetzen zu wollen. Der Trick ist, einen abstrakten Gedanken zu fassen, mit möglichst wenigen konkreten Wörtern, und diesen Gedanken in die andere Sprache zu transferieren und ihn mit den dort bereitstehenden Worten und Grammatiken in Worte zu fassen. Dies ist eine äußerst schwierige Aufgabe und gilt nicht nur für das Japanische. Und vor allen Dingen ist es Übungssache. Lasst Euch damit ruhig soviel Zeit, wie notwendig, Ihr werdet es später nicht bereuen!

Und nun kommen wir zum Hauptteil dieser Lektion.
Ausschnitte findet Ihr auch in diesem Ergänzungsvideo.

Im folgenden Dialog werden wir die Wörter benutzen, die Ihr in der letzten Lektion als Hausaufgabe auf hattet nachzuschlagen und zu lernen. Ich hoffe, das habt Ihr alle gemacht! Ansonsten solltet Ihr das jetzt nachholen.

Zusatz: Im Japanischen werden alle Wörter in einem Satz zusammengeschrieben, es gibt also keine Leerzeichen zwischen Wörtern. Das ist anfangs schwer nachzuvollziehen, vor allem, wenn unbekannte Wörter enthalten sind, daher werde ich in den ersten Lektionen Leerzeichen zwischen Wörtern einfügen, um Euch das Lesen und verstehen zu erleichtern. Auch beim Schreiben empfehle ich Euch, zunächst Leerzeichen zu benutzen.

A こんにちは。NAME です。あなた は?
B わたし は NAME です。

こんにちは ist eine Floskel, die in etwa unserem "Guten Tag" gleicht.
です ist die "formelle" Form des Verbs "sein". "Formell" deshalb, weil es im Japanischen mehrere Höflichkeitsstufen gibt, je nachdem, in welcher Position sich der Sprecher befindet. Wir benutzen hier zunächst einmal nur die "formelle" Variante. Im Wörterbuch findet man Verben allerdings nur in der "Einfachform", weswegen ich mich bemühen werden, diese dazu zu schreiben, damit Ihr Verben leichter finden könnt. Die Einfachform von です ist

Was Euch sicherlich aufgefallen sein wird, ist das , das ich beiden Sätzen nach den Personalpronomen steht. (Wieso ich hier entgegen meiner Aussage oben welche benutze, erkläre ich später)
Diese "markiert" im Satz das "Thema" des Satzes. Im Japanischen gibt es nämlich nicht nur das grammatikalische Subjekt, sondern auch eine Art "semantisches Subjekt". Dieses beschreibt, unabhängig vom grammatikalischen Subjekt, worum es im folgenden Satz geht. Das "semantische Subjekt" kann (muss aber nicht) auch gleichzeitig das grammatikalische Subjekt sein.
Wenn man dieses übersetzen will, geschieht dies meist auf folgende Weise:
Wenn es um ... geht, dann ...

わたし は NAME です。

bedeutet zwar "Ich bin ...", im Grunde handelt es sich aber mehr um ein "Wenn es um mich geht, dann ist mein Name ...".

わたし は げんき です。

bedeutet "Ich bin gesund" oder "Mir geht es gut". げんき ist an für sich ein Nomen, wird aber in Verbindung mit です wie ein Adjektiv behandelt. Zu Adjektiven kommen wir aber später.

わたし は びょうき です。

びょうき heißt eigentlich "Krankheit", aber auch in diesem Fall wird es wie ein Adjektiv behandelt und einfach mit です ergänzt.

Diese Form ist wahrscheinlich grammatikalisch wie kulturell bedingt.
Ich schildere hier allerdings meine persönliche Ansicht, die ich so noch in keinem Buch gelesen habe, die aber meinen Eindruck von der japanischen Gesellschaft reflektiert und mir logisch erscheint.
Zum einen gilt in der japanischen Gesellschaft und somit auch in der Sprache das Gebot der Bescheidenheit. Wir sind es gewohnt, aber wenn man genau darüber nachdenkt, klingt "Ich bin ..." forscher, als "Wenn es um mich geht, ich bin ...". Sagen wir, es klingt weniger "egozentrisch".
In einem anderen, etwas überspitzten Beispiel wird es vielleicht deutlicher.
Stellt Euch vor, Ihr seid auf einer Feier und unterhaltet Euch mit anderen über Computer. Da kommt jemand zu Euch und sagt "Computer sind nützlich." Der Fremde hat Euch offenbar "belauscht" und "mischt sich" quasi in Eurer Gespräch ein. Wir würden das allerdings eher als einen Versuch, ins Gespräch einzusteigen, empfinden. "Dreistigkeit" bis zu einem bestimmten Grad ist für uns völlig normal und akzeptabel. Auch, dass der Sprecher sich damit etwas mehr in den Mittelpunkt drängt, stört uns nicht weiter.
Genau das gehört in Japan aber zum eher schlechten Ton. Andere stören, dazwischen reden oder sich gar in den Mittelpunkt drängen - das kommt nicht in Frage. Da ist ein Einstieg à la "Wenn es um Computer geht... Ich finde Computer nützlich." doch viel angenehmer.
Und obwohl das wohl eher eine Art Überbleibsel längerer Einführungsfloskeln ist, hat es doch die Aufgabe, Bescheidenheit zu symbolisieren.
Das は wird außerdem nicht "ha" gesprochen, sondern "wa". Mehr dazu am Ende der Lektion.

Wenn Ihr Euch also mit Namen vorstellt, habt Ihr mehrere Möglichkeiten:

わたし は NAME です。
NAME です。
わたし の なまえ は NAME です。

Das letzte Beispiel enthält ein weiteres Partikel, nämlich das Zugehörigkeitspartikel .

Sätze wie: Die Freundin des Mannes... Die Jacke meiner Mutter... Aber auch: Mein Name...
werden mit diesem Partikel gebildet.

あなた は?
Diese Frage nach dem Namen des Gegenüber ist typisch japanisch: nämlich unvollendet.
Im Japanischen werden Sätze oft nur "angedeutet" und nicht zu Ende geführt.
Übersetzt würde der Satz oben heißen: "Und wer sind Sie?" oder "Und wie ist Ihr Name?"
Im Japanischen wäre das:
あなた は だれ です か。
(だれ = wer; か = ersetzt das Fragezeichen am Ende des Satzes bei Fragesätzen, daher ist dahinter auch ein Punkt.)
Also: "Wer bist Du?" oder "Wer sind Sie?"

In diesem Fall ist es auch im Deutschen üblich, die kürzere Variante "Und Sie?" zu wählen. Im Japanischen wird dies allerdings sehr oft gemacht, darauf werde ich aber bei Bedarf hinweisen.

Dialog 1 auf deutsch:

A Guten Tag. Ich bin NAME. Und Sie?
B Mein Name ist NAME.

oder überbetont:

A Guten Tag. Ich bin NAME. Und wenn es um Sie geht, sind Sie...?
B Wenn es um mich geht, ich bin NAME.

Die Grammatik hinter diesen Sätzen ist recht einfach:

A です。 NAME です。
A は B です。 わたし は NAME です。
A の B は C です。 わたし の なまえ は NAME です。
A は B。 わたし は NAME。 (ohne です)

Dies ist quasi die Grundgrammatik der Japanischen Sprache.
Etwas/jemand etwas/jemand Verb.
Wobei man das Verb "sein" häufig weglassen kann. "Ich bin Name" wird zu "Ich Name" - "Ich bin gesund" wird zu "Ich gesund".

Aber Grammatik hin oder her, gehen wir mal von der Realität aus.
In der Realität begegnet man Menschen nur selten einfach so. Viel häufiger wird man "vorgestellt".
Treffen mit Freundesfreunden gehen sehr unkonventionell von Statten, auch in Japan. Vor allem unter den Jüngeren sind die traditionellen "guten Manieren" der westlichen Leichtigkeit gewichen.

A こんにちは。NAME です。
B わたし は NAME です。こんにちは。

So umgeht man im Übrigen auch das Problem mit den Pronomen. Indem man wie im Deutschen seinen eigenen Namen sagt und darauf wartet, dass der Gegenüber mit dem seinen antwortet. Man braucht "du" also nicht zu benutzen.

Und an dieser Stelle kann es vorkommen, dass ein はじめまして Eure Wege kreuzt.

はじめまして bedeutet so viel, wie: Freut mich, Dich/Sie kennen zu lernen.
Wie mit dem französischen "Salut" antwortet man auf ein はじめまして mit はじめまして.

Was haben wir also heute gelernt:

Es gibt Partikel. Im folgenden Dialog nutzen wir: , und .

Das wie oben beschrieben markiert also das Thema des Satzes, nämlich das, worum es geht, unabhängig davon, ob es sich tatsächlich um das Subjekt handelt oder nicht. Das steht immer (wie alle anderen Partikel auch) hinter dem Nomen, zu dem es gehört. Daher werde ich in Zukunft die Partikel direkt hinter die dazugehörigen Nomen setzen, ohne Leerzeichen.

Das stellt eine Zugehörigkeit her. Mein, dein, sein... oder auch "des Tisches", "der Jacke" (also den Genitiv) etc.

Das stellt ein Nomen in den Akkusativ. Wen oder was. Wichtig ist zu beachten, dass nicht jedes Verb, das im deutschen den Akkusativ verlangt auch im Japanischen ein Akkusativ braucht. Es gibt durchaus Unterschiede!
Zum Beispiel: über jemanden reden wäre im Japanischen Dativ.

Man versucht, den Gebrauch von Personalpronomen zu vermeiden, vor allem: du, er sie etc.
わたし ist aber durchaus gebräuchlich.

Hausaufgabe: (Falls Ihr Euren eigenen Namen auf Japanisch einsetzen wollte, schreibt mir Euren Namen in den Kommentaren und ich ich antworte Euch, wie er auf japanisch geschrieben werden würde)

Aufgabe 1:

Lest den Dialog und versucht, ihn zu verstehen und zu übersetzen. Schreibt ihn dazu Satz für Satz ab und setzt die Übersetzung unter den japanischen Satz.

Ihr habt Euch mit Person XY verabredet, die ihrerseits eine Person B eingeladen hat. Zur verabredeten Zeit ruft XY an, dass sie nicht kommen kann. Person B ist aber genau wie Ihr schon da. Ihr kennt einander nur von Fotos, erkennt Euch sofort, begrüßt einander, redet ein wenig und verabschiedet euch dann.
Ihr seid Person A.

A こんにちは。
B こんにちは。
A NAME1 です。
B わたしは NAME2。
A はじめまして。
B はじめまして。 げんき です か。
A はい、げんき です。 NAME2 は? (はい = ja)
B げんき です。
A きょう (= heute) は なにを します か。 (します formelle Form von する = tun)
B きょうは てれびを みます。 NAME1 は? (みます formelle Form von みる = sehen, schauen, gucken)
A わたしは ほんを よみます。 (よみます formelle Form von よむ = lesen)
B それは いい です。 (それ = das (da drüben) - それは いい です = Das ist gut.)
A じゃあ、また!
B じゃあ、また!

Im Video lese ich Euch den Dialog einmal vor, damit Ihr auch die Aussprache üben könnt.
Außerdem seht bzw. hört Ihr dann, wie man das spricht.

Aufgabe 2:

Übt, den Dialog laut zu lesen.

Aufgabe 3:

Übersetzt folgende Sätze ins Japanische:

Das (da drüben) ist Mika.
Mika ist Schülerin. (SchülerIn = がくせい)
Schüler lernen. (lernen = べんきょう する - formelle Form von する ist します)
Lernen ist anstrengend. (lernen - hier "das Lernen" = べんきょう; anstrengend (in unserem Fall) = たいへん)
Schüler gucken Fernsehen.

Die richtigen Grammatiken zu den Sätzen findet Ihr in der Lektion, wo, verrate ich aber nicht, das ist Teil der Übung! Wer eine Lösung selbst findet, merkt sich den Weg dorthin besser, als wenn er die Lösung gesagt bekommt.

Viel Erfolg beim Grübeln!

Dienstag, 5. Juli 2011

Shopping - Spaß: Mein neues Portemonnaie

Der Blick in meine Handtasche erfüllt mich mit Unmut: neben dem neuen Schlüsselanhänger, einer neuen Handytasche (samt neuem Handy), einem Schönschreibkulli und einem noch nahezu leeren Block kann man beim Anblick des schwarz glänzenden Etwas nur erahnen, worum es sich handelt: es muss wohl das Portemonnaie sein. Das schwarze, glitzernde Lacklederportemonnaie begleitet mich nun seit über einem Jahr und beginnt, nicht nur mir zu missfallen. Es muss also ein neues her -  da kam auch mein Geburtstag gerade recht. Doch leider stelle ich an Portemonnaies hohe Ansprüche: schön sein reicht nicht.

Zum Beispiel dürfen für mich die Geldfächer nicht getrennt sein. Viele Geldbörsen haben innen ein Fach für Scheine und außen eins für Kleingeld. Das finde ich unbequem: ich will doch nicht jedes Mal das schwere Teil hin und her klappen, bis alles raus und wieder verstaut ist. Außerdem habe ich einige Kreditkarten, an die ich bei Bedarf aber sofort rankommen will. Das Fach darf also nicht irgendwo "versteckt" sein. Außerdem muss es groß sein, mein neuen Portemonnaie, denn ich habe nicht nur Ausweise in Kreditkartengröße bei mir: mein Fahrausweis hat Sondermaße und auch Büchereiausweise, Notizzettel und Kontoauszüge wollen lieber im Portemonnaie deponiert werden, bis sie zu Hause ankommen.

Das mag einigen etwas übertrieben vorkommen, aber ich stehe dazu: ein Portemonnaie ist eben nicht einfach nur ein Portemonnaie. Für mich ist es ebenso eine Art Accessoire, das gut aussehen, aber auch bequem, großzügig und handlich sein soll. Denn in diesem vermeidlich unwichtigen Gegenstand spielt sich ein beachtlicher Teil meines Lebens ab. Ich brauche ihn, wenn ich einkaufe, wenn ich zur Uni fahre, wenn ich essen gehe, wenn ich beim Arzt bin, wenn ich Geld verleihe, wenn ich Geld abhebe, wenn ich abends weggehe, wenn ich etwas kopieren möchte, wenn ich ein Auto fahre, wenn mir als ADAC-Kunde irgendwo Rabatt winkt... Kurz: die Börse begleitet mich überall hin, außer vielleicht an den Esstisch, in die Dusche oder ins Bett.

Also hieß es gestern: auf zum Shoppen!
Und das richtige Portemonnaie zu finden ist wirklich nicht so leicht.

Aus Leder sollte es schon sein: Leder fühlt sich gut an und bei der richtigen Qualität hält es nicht nur einiges aus, sondern auch ziemlich lange. Außerdem liebe ich den Geruch von Leder.
Tierschützer mögen jetzt natürlich einen Schrei unterdrücken, dennoch bin ich der Meinung, dass die Nutzung von Leder durchaus legitim ist. Ich denke außerdem, dass Leder guter Qualität von Tieren kommen muss, die gut gepflegt und versorgt werden. Ich möchte keine Debatte darüber führen, setze beim Kauf aber immer auf Marken, deren Qualität und Arbeitsmoral überzeugt.
Desweiteren sollte die Verarbeitung stimmen. Ein Portemonnaie, dessen Material lieblos aneinandergeklebt und schlampig vernäht wurde, zeugt von wenig Respekt gegenüber dem Metier (und im Übrigen auch den Tieren und Arbeitern): Massenherstellung für wenig Geld und maximierte Einnahmen - das ist nicht mein Fall.

So marschierten ich und mein Partner also durch den riesigen Einkaufspalast, auf der Suche nach dem richtigen Begleiter für Wertsachen.

Einer der Läden, die wir betragen, roch schon am Eingang stark nach diversen Chemikalien, Plastik und Farbstoffen. Wer weiß, was da sonst noch drin ist. Nach einiger Zeit hielt es mein Partner nicht mehr aus und wir verließen den Laden wieder. Genau solche Läden sind es, die ich meide. Sie verkaufen Ware für sich und nicht für den Kunden. Zwar könnte ich mir solche Güter viel eher leisten, aber ich kaufe lieber etwas teurer, hochwertig, bewusst und langfristig, als immer wieder müffelndes Lederimitat (Kunstleder kann man das nicht nennen), das nach wenigen Monaten zwar mit seinem Geruch die Handtasche infiltriert hat, sich aber nicht daran hindern lässt, langsam in seine Einzelteile zu zerfallen.

Und so betragen wir einen kleinen Lederwarenladen. Wir betragen ihn sogar zwei mal. Beim ersten Mal schauten wir uns die Börsen an der Kasse an: viele schöne dabei, aber leider nicht die perfekte. Danach liefen wir mehrmals quer durch das Geschäftechaos und standen am Ende wieder vor dem Eingang zum Lederparadies. Aber diesmal bemerkte mein Partner ein Portemonnaie im Schaufenster. Im Matrosenstil gehalten, von der Größe aber perfekt. Wir schauten es uns an. Verarbeitung sehr gut, Optik sehr gut, Komfort sehr gut - nur die Farbe störte. Aber welch ein Glück! Es gab die Börse noch in zwei weiteren Ausführungen und eine davon hat es in meine Handtasche geschafft!
(Die Bilder werden dem Portemonnaie leider nicht gerecht: ich habe sie gerade eben (ca. 23 Uhr) bei nicht mehr als dem Licht einer Schreibtischlampe gemacht. Dadurch wirken die Farben etwas düster und alles wirkt etwas unscharf.)


So sieht es von vorne aus: ein ausgefallener Schnitt und eine wunderschöne Farbe (die leider wegen der Lichtverhältnisse nicht zur ganz Geltung kommt)


Aunts & Uncles brüsten sich mit guten Konditionen für alle: von den Arbeitern, über den Hersteller bis zu den Endverbrauchern.


Das Portemonnaie besteht aus zwei geräumigen Innentaschen und dem außergewöhnlichen Deckel.


Neben dem mit Reißverschluss versehenen Fach für Kleingeld befinden sich in der unteren Tasche drei Fächer: ein ganz schmales (rechts vom Reißverschluss) und zwei breitere (links). So kann man (wenn man so eine Macke hat, wie ich) sein Geld nach Belieben sortieren.


Ins Portemonnaie passen insgesamt 12 (Kredit-)karten: 6 in die obere Tasche (oben und unten sind jeweils noch zwei separate, schmale, aber große Fächer für größerformatige Papiere)...


... und 6 in die untere, gleich neben den Geldfächern. 


Eine geniale Idee: ein kleines, separates Täschchen für unterwegs (z. B. im Urlaub, wenn man nicht gleich alle Papiere mitnehmen will).


Hier sieht man es genau: hochwertiges Wildleder. 


Das Täschchen kann man innen im Portemonnaie befestigen...

  
... und dann ganz leicht nach unten...


... und nach oben schwenken, je nachdem, welchen Teil man gerade erreichen will.


Das Portemonnaie wirkt recht dick - und das ist es auch.


Dennoch liegt es super in der Hand (und ich habe recht kleine Hände).

Alles in allem ein äußerst lohnender Einkauf und für 60 Euro macht meine neue Geldbörse auch noch richtig etwas her! Ich bin jedenfalls sehr zufrieden und kann nur jedem einen Blick auf die Waren von Aunts & Uncles empfehlen. Die Taschen sind preislich allerdings schon wieder in einer etwas anderen Klasse (aber wirklich toll).

Ich freue mich auf viele Monate und Jahre mit meinem neuen Liebling (ich gebe zu gerne damit an, ich finde es einfach so super!) und Euch noch einen schönen Feierabend!

Montag, 4. Juli 2011

Hauptschule: ja oder nein? Von Schulreformen und Bürgermeistern

In meinem letzten Artikel zu den "Nachrichten am Sonntag" habe ich die von der CDU geplante, aber von anderen Politikern stets abgelehnte Schulreform im Bezug auf die Abschaffung der Hauptschule bzw. Zusammenlegung der Haupt- und Realschulen kommentiert.

Und während ich so darüber nachdachte, fiel mir die Rede von Lutz Urbach, dem Bürgermeister von Bergisch Gladbach, ein, der ich bei einem Abiball, zu dem ich letztes Wochenende eingeladen war, lauschen durfte. So ganz ohne anstehende Wahlen lassen sich den Politikern scheinbar auch mal richtig emotionale Worte entlocken.

Wer fleißig lernt und immer gut aufpasst, sollte mit dem Abitur keine allzu großen Schwierigkeiten haben. Aber nicht jeder, der Schwierigkeiten hat, ist deswegen gleich dumm. Es sind gerade die Fähigkeiten, die man in der Schule häufig nicht von Lehrern gelehrt bekommt, die darüber entscheiden, wie gut man sich anstellt. Es fängt bei Dingen wie Pünktlichkeit an. Wer andauernd zu spät kommt, hat zum Schulgang offensichtlich eine gewisse Einstellung. Der muss man auf den Grund gehen und an ihr arbeiten - anstatt den Schüler bloß pausenlos zu ermahnen und den Eltern Briefe zu schreiben. So etwas geht zu oft nach hinten los. Wer es versäumt zu lernen, sich seine Zeit gut aufzuteilen, bekommt später nicht nur Probleme mit dem Zeitmanagement, sondern fällt im Unterricht deswegen auch immer weiter zurück, sodass selbst Schüler, die lernen wollen, es einfach nicht schaffen. Und dann gibt es noch die, die eigentlich alles können, denen aber die Aufregung vor Prüfungen so zu schaffen macht, dass sie trotz eines großen Wissenspools eine schlechte Note bekommen. Im schlimmsten Fall verlieren diese Schüler die Hoffnung und vernachlässigen sich selbst. Vielleicht hatte man auch einfach mal einen schlechten Tag und der ganze Schnitt ist hin. Und wer es tatsächlich in die Oberstufe schafft, muss nicht nur die umfangreichen Inhalte in sich aufsaugen, sondern auch noch all die Kleinigkeiten aufarbeiten, die er versäumt hat. Und daran scheitern wohl die meisten. Und das Abi zu schaffen, ist heute noch lange keine Garantie für irgendetwas.

Lutz Urbach sprach in seiner Rede die Abiturienten mit einer zunächst positiven Message an: es sei egal, welche Zahlen vor und hinterm Komma stünden, viel wichtiger seien die Softskills, die Persönlichkeiten - und die Abiturienten könnten mächtig stolz auf sich sein. An sich sind dies wirklich weise Worte, denn natürlich kommt es auf den Menschen an und auf das, was er tatsächlich leisten kann. Noten alleine sagen oftmals nur wenig über Charakter und wichtige Qualifikationen aus. Dennoch ist diese Aussage ziemlich utopisch. Denn in der heutigen Welt hat niemand Zeit, Charakter und Fähigkeiten eines Einzelnen zu begutachten. Viel schneller funktioniert eine Auslese nach Noten, die mit einer 1 vorne sind besser, als die mit einer 2 und die wiederum besser, als die mit einer 3 usw. Und so funktioniert es doch fast immer: will man studieren werden die Noten verglichen. Dabei ist ein Schüler mit einem Durchschnitt von 1,2, dem wahrscheinlich auch nur auf Grund dessen eingeredet wird, es solle Arzt werden, für diesen Beruf nicht zwangsläufig minder geeignet, als jemand mit einem Durchschnitt von 2,8, der in Biologie und Chemie Klassenbester war, alles für diese Fächer gegeben hat, aber an den restlichen Fächern eben nur mäßig interessiert war. Wieso bekommt also der mit der 1,2 die Chance, Medizin zu studieren, während jemandem mit einer 2,8 eigentlich nur die Möglichkeit bleibt, jahrelang auf einen Studienplatz zu warten? Ist das fair?
Und am Ende sitzt man im Wartezimmer eines Arztes, der den Beruf nur ergriffen hat, weil er es konnte und eigentlich überhaupt kein Interesse an Patienten hat. Ist mir oft genug passiert. Wieso kann dort nicht jemand sitzen, der für diesen Beruf alles hergeben würde und vielleicht der beste Arzt wäre, zu dem man nur gehen kann? Etwa nur, weil man sich als Staat bzw. Bundesland zu schade ist, etwas mehr Zeit und Geld zu investieren, um ein gutes Gesundheitssystem zu sichern? Ist das fair?
Und genauso sieht es mit Lehrern aus. Man klangt über zu wenig männliche Grundschullehrer, einen NC für Grundschullehramt gibt es aber dennoch und keiner Uni (meines Wissens) fällt ein, diesen mit Rahmenbedingungen auszuschmücken, die z. B. eine Männerquote vorsehen, bei denen der NC weniger bis gar nicht berücksichtigt wird. Ist das fair?
Und wie sieht es mit all den unfähigen und überforderten Lehrern aus, die sich an anderen Schulen tummeln? Man wird verbeamtet, das ist eine klasse Sache, und man hat vielleicht den nötigen Durchschnitt, um eines der gefragteren Fächer zu studieren. Doch wie viele der Lehramtanwärter sind wirklich geeignet? Will ich meine Kinder wirklich von Menschen unterrichten lassen, die mit ihrem Beruf unzufrieden, pädagogisch gesehen völlige Versager und vielleicht sogar in ihrem eigenen Fach absolut inkompetent sind? Eher nicht. Dennoch kommen genau diese Leute in die Unis. Wieso? Weil sie in der Schule ganz gut waren und sich dachten, mit Lehramt könne man nichts falsch machen. Und oftmals sind es genau die, wegen denen so viele Schüler ein schlechtes Abitur bekommen oder es gar nicht erst schaffen. Ist das fair?

Es ist natürlich schön zu denken, dass es im Leben eben doch auf die inneren Werte ankommt. Und dennoch: was in Wahrheit zählt, ist eben nur das äußere Erscheinungsbild: in Form von Kleidung, in Form von Noten, in Form von Sprache und auch in Form von Herkunft. Niemand kann behaupten, dass er noch nie jemanden jemandem anders vorgezogen hat, wegen irgendwelcher äußeren Faktoren. Und sei es nur, dass man lieber zu der schlankeren Kassiererin möchte oder das Kind lieber tätschelt, das keinen Dreck in den Haaren hat.

Also, lieber Herr Urbach: ihre wirklich rührende Rede hat leider keinerlei Gehalt, wenn die Welt nicht so funktioniert, wie sie es darstellen. Ja, der Mensch ist mehr, als seine Noten. Ja, der Mensch ist mehr, als sein Erscheinungsbild. Und ja, das ist leider noch viel zu vielen Menschen s****ßegal.


Sollte es nun also eine Hauptschule geben oder nicht? Ich denke nicht, dass dieses traditionelle System noch notwendig oder überhaupt praktizierbar ist. Denn wo früher jedem Abschluss eine sichere Ausbildung folgte, wollen Arbeitgeber heute möglichst die Besten. Während einem Tischler in seiner Ausbildung früher alles nötige Wissen eingeflößt werden sollte, erwartet man heute, dass sie alles schon wissen, wenn sie die Ausbildung antreten. Arbeitskräfte sollen sie sein, keine Auszubildenden. Geld will man sparen - Auszubildende sollen leisten, was andere zum Beruf haben - an Ausbildung denkt bei weitem nicht jeder Arbeitgeber. Und was ist besser als "auszubildende" Arbeitskraft, als ein Abiturient, der alles wichtige schon gelernt hat? Abitur für eine Ausbildung? Früher hätte man darüber gelacht, heute sehen das viele Arbeitgeber als notwendig an. Welchen Stellenwert hat also das Abitur, wenn es möglichst alle haben sollten? Und folglich: wieso bekommen dann nicht wirklich alle die Chance, ihr Abitur zu machen, wo man ohne doch nur schwer überhaupt etwas im Leben erreichen kann?

Für mich ist die Sache ganz klar: wie brauchen keine Hauptschulen mehr. Selbst Realschulen sind überflüssig. Auch das "elitäre" Gymnasium ist schon lange nicht mehr Heim der Genies und Denker des Landes.
Wieso spricht man beim Atomausstieg von Planwirtschaft, bemerkt aber nicht, dass in der Bildung schon lange keine Gleichberechtigung für irgendjemanden herrscht? Oder will man es nicht bemerken? Sind Wahl- und Machtkämpfe denn wirklich alles, was zählt? Wer soll denn dann später die nun wieder gestiegenen Honorare der guten, alten (vor allem) Politiker zahlen?


Also tun Sie doch etwas, Herr Urbach, die Damen und Herren Politiker, die auf die stagnierende Situation in der Bildung Einfluss haben. Die Entwicklung will ja her, sie sitzt sogar direkt vor Eurer Nase, aber Ihr schaut einfach weg. Ihr seid die Politik, das Sprachrohr des Volkes, die Verantwortlichen für das, was im Staate Deutschland vorgeht. Legt Eure Waffen nieder, lasst die Kämpfe ruhen, schaut Eurem Gegner ins Gesicht und seht, dass sie in Wahrheit Eure Verbündeten sind. Und tut endlich etwas.

Denn fair ist das ganz und gar nicht.

Sonntag, 3. Juli 2011

Nachrichten am Sonntag

Und wieder eine kleine Sammlung der "wichtigsten" Nachrichten der Woche!

Wieder ging es viel um Griechenland: Der erste Rettungsplan wurde beschlossen, der zweite soll folgen. Viele, viele Milliarden Euro sollen herbeigeschafft werden. Und jeder einzelne davon ist eine Anleihe. Dass die Rettung eines Euro-Landes gerade dazu führt, dass viele andere noch tiefer in die Staatsverschuldung rutschen, ist an sich schon eine etwas "makabere" Situation. Dass es bei der Gründung der EU keine besser durchdachten Pläne gab, verwundert nicht, ist aber zu bedauern. Denn man hätte durchaus auf die Idee kommen können, dass sich hier und da mal ein Land findet, dass seine Finanzen nicht ganz im Griff hat. Und was in Griechenland bezüglich der vielen Bankanleihen vor sich ging, sollte den Finanzministern Europas kein großes Geheimnis gewesen sein. Man sah wie immer nur die vielen Vorteile und bedachte all die Risiken erst viel später: nämlich als der schlimmste Fall eintraf. Aber ist es nicht immer so?

Auf der anderen Seite wird gerade viel über den Atomausstieg debattiert. Aussteigen - das wollen nun alle. Doch über das wie und wann ist man sich scheinbar immer noch nicht im Klaren. Dass man sich von nun an auf die erneuerbaren Energien konzentrieren will, riecht einigen (wohl Anhängern der Atomkraft) nach "Planwirtschaft". Oh ja! Wir "planen" den Atomausstieg, wir "planen" die Förderung der erneuerbaren Energien und vor allem "planen" wir damit die Wirtschaft! Ist das so?

"Planwirtschaft" bezeichnet eine vom Staat vorgegebene Form der Leistungserbringung. Der (meist kommunistische) Staat entscheidet, welche Dienstleistungen angeboten, welche Güter produziert und welche Nahrungsmittel angebaut und vertrieben werden. Viele werden sich wohl noch an die X-jahrespläne der Sowjetunion und Chinas erinnern, in denen der Staat das Wirtschaftswachstum durch mehr oder eigentlich weniger kalkulierte und konkrete Planung ankurbeln wollte. Da dies aber mit mehr Nach- als vorteilen verbunden ist, was die jeweiligen Länder leider mal wieder zu spät feststellten, geht man heutzutage dem Prinzip der "freien Marktwirtschaft" nach. Jeder produziert und jeder konsumiert. Angebot und Nachfrage bestimmen sich mehr oder minder von selbst. Jeder kann eigene Ideen verwirklichen und damit die Wirtschaft nachhaltig ankurbeln.

Noch mal zurück zur Energiewende. Was genau hat die mit Planwirtschaft zu tun? Das wohl einzige Argument ist, dass der Staat durch die neue Atomausstiegsregelung vorgibt, dass ein bestimmtes Gut, nämlich Strom aus Atomkraft, nicht mehr produziert werden darf. Denken wir uns dazu mal ein Schaubild:
Ein großer Kreis symbolisiert die Gesamtheit der Güter, die produziert werden. Irgendwo darin befindet sich ein Bereich mit dem Inhalt "Atomkraft". Es wird recht viel Atomkraft produziert, daher ist der Kreis selbst größer, als viele andere Kreise. Da aber die Anzahl der anderen Kreise immens groß ist, geht der Bereich der Atomkraft im Gemenge unter. Würde man ihn suchen, würde man ihn sicherlich nicht sofort finden.
Wenn also ein, bildlich gesprochen, Bruchteil der nationalen Wirtschaft vom Staat zugunsten von Sicherheit und nach den Wünschen der Bevölkerung (bedenkt, wir leben nicht im Kommunismus, sondern in einer Demokratie) beeinflusst wird, kann man da wirklich von Planwirtschaft sprechen? Ist es nicht eine viel wichtigere Aufgabe des Staates, den Willen des Volkes durchzusetzen und für deren Sicherheit zu sorgen, und sei es, durch eine winzige "geplante" Neuregelung?
Ich denke, dass es sich hierbei mal wieder um eines der zahlreichen, aus den Fingern gesogenen, die vergebliche Hoffnung tragenden Argumente der Atomwirtschaft handelt, die partout nicht einsehen will, dass ihre Zeit nun endgültig abgelaufen ist. Tja, liebe Befürworter, da helfen auch Botox und vermeidliche Schönheits-OPs nichts. Irgendwann wird man eben alt und muss sich damit abfinden, dass eine neue Generation die Führung übernimmt.

Auch in der Bildungspolitik ging es wieder rund. Man will Haupt- und Realschule zusammenfassen. Oder besser: man will etwas ändern. Schon wieder.
Der Gedanke, eine einheitliche Schulform zu gründen, spukt einigen Politiker schon seit jeher in den Köpfen. Und auch viele Pädagogen sind nach wie vor der Ansicht, dass eine Selektion nach der vierten Klasse einfach viel zu früh ist. Die Gesamtschule sollte dem Abhilfe schaffen. Ihre Einführung sollte das deutsche, dreigliedrige Schulsystem ersetzen und einer Selektion durch die Schulform vorbeugen. Dieses System funktioniert in anderen Ländern schon lange und ist sehr erfolgreich, in Deutschland allerdings wollte man sich einfach nicht von den hübschen und weniger hübschen Titeln trennen. Elitäre Bildung sollte einigen wenigen vorenthalten bleiben. Das Abitur sollte nicht nur die Befähigung zum Studium, sondern gleichzeitig eine Art "Garantie" für einen Ausbildungsplatz an einer Uni oder in einem Betrieb sein. Dieses System erfüllte auch lange ihren Zweck. Doch heute ist alles anders. Nicht nur existiert die Gesamtschule in vielen Bundesländern parallel zum dreigliedrigen Schulsystem, auch ist das Abitur noch lange keine Garantie für weiterführende Bildungsmöglichkeiten. Denn heute muss nicht nur ein Abitur, sondern gleich ein möglichst gutes her. Universitäten entscheiden nach einem NC-Verfahren über den Zugang zu bestimmten Studienfächern, weil es zu viele Bewerber gibt. Die Selektion endet also keineswegs nach dem Einstieg in die weiterführende Schule. Auch haben es Wechsler schwer, die von der Haupt- auf die Realschule oder vielleicht sogar aufs Gymnasium wechseln wollen. Immer mehr Prüfungen sollen ein Überlaufen verhindern. Immer mehr wirklich fähigen und intelligenten Menschen wird der Zugang zu entsprechender Bildung verwährt. Denn wer sagt, dass ein Einserschüler zwangsläufig später ein besserer Arzt sein muss, als ein Hauptschüler, dem dieser Beruf einfach "in den Genen liegt"? Doch heute wird gespart. Nicht nur an Geld, sondern vor allem an Zeit und Aufwand. Niemand macht sich die Mühe, Menschen nach ihren wahren Fähigkeiten zu bewerten und das ist sehr schade. Und letztlich birgt dies auch für die Wirtschaft nur Nachteile. Aber nachhaltiges, vorausschauendes, langfristiges und zukunftsorientiertes Denken war, wie man auch gut an der Atompolitik erkennen kann, scheinbar nie wirklich eine Stärke der deutschen Politiker. Und so sträubt man sich nun selbst gegen die fast schon lächerliche einfach durchzusetzende Zusammenlegung der Haupt- und Gesamtschulen, weil man "Vielfalt in der Schulpolitik" erhalten und zentralistische Züge in der Bildungspolitik vermeiden wolle.

Woher haben so viele Politiker eigentlich immer diesen paranoiden Gedanken, der Staat würde mit allem versuchen, Kontrolle für sich zu schaffen? Handelt es sich hierbei vielleicht wirklich nur um Wettkampf? Wollen die Politiker denn wirklich nicht unser Bestes, sondern bloß Wahlkampf, Gewinn, Ansehen und vor allem Aufmerksamkeit? Mal ehrlich: wann hört das auf?

Und auch Guttenberg machte wieder "Schlagzeilen", allerdings ausnahmsweise mal gute. Wie man im Nachhinein feststellte soll er sein Amt als Verteidigungsminister nun doch vertrauensvoll ausgeführt haben, beruhend aber auf Tatsachen, die ihm andere vorenthalten haben. Seine "Plagiatsaffäre" scheint aber dennoch ein triftigerer Grund gewesen zu sein, ihn aus den eigenen Kreisen zu schaffen. Obwohl Guttenberg tatsächlich mal ein fähiger Politiker gewesen ist. Und wieder: schade. Schade, dass die da oben es immer noch nicht kapieren. Aber mal sehen, was in zwanzig, dreißig Jahren noch passiert. Die Schere zwischen Arm und Reich wächst, doch die Politik streitet sich nur des Streits wegen. Das Vertrauen in die Politik sinkt immer mehr, doch die Politik schert sich nur um die eigenen Probleme: Machtkampf und Wählerzahlen.

Und auch sonst ist viel passiert: die deutsche Fußballnationalmannschaft hat gewonnen, zum zweiten Mal. Und auch Klitschko gewann, obwohl es anfangs gar nicht danach aussah. In Monaco wurde geheiratet - wie gut, dass die Heirat nebenbei das Image der Fürsten aufpoliert und das Ansehen der Familie und Politik in der Gesellschaft nachhaltig verbessern soll. Und auch die Handyindustrie - wohl eher Uhrenindustrie - macht von sich reden: als gäbe es nichts besseres zu tun, produziert man einfach mal so ein Mobiltelefon, dass wahrscheinlich eher, eitel wie wir sind, vom Erscheinungsbild, als von den inneren Werten überzeugt: bei einem Preis von 6000 bis 9000 Euro und wertvollen Eigenschaften wie Edelstahl, Alligatorleder oder Goldapplikationen kann man schwer davon ausgehen.

Und die spannendste Nachricht: man überlegt tatsächlich, Facebook Parties zu verbieten! Tja, jetzt, wo sich die Leute  denken, dass so eine Party, zu der eine Besucherzahl nahe der Bevölkerungszahl eines Kleinstaates erscheint, lustig ist, will es jeder einmal ausprobieren. Gruppenzwang nennt man das - und auch ein gewisses Sicherheitsgefühl ist dabei: man muss nicht selbst auftauchen und bezahlen muss man, wenn man minderjährig ist, auch nicht. Die Eltern allerdings werden wohl noch das eine oder andere Hühnchen mit ihren "Sprösslingen" zu rupfen haben, diese bekommen nämlich seit Neustem Polizeiaufwand etc. in Rechnung gestellt. Na dann einen schönen Start in den Juli!

Ansonsten war die Woche recht ruhig. Das Wetter war gut verteilt zwischen Hitze und eisigem Regen.

Ich bin sehr gespannt auf die nächste Woche!